Seelenwanderung

Seelenwanderung
See|len|wan|de|rung 〈f. 20; unz.〉 nach der Lehre verschiedener Religionen die Wiederverkörperung der Seele nach dem leibl. Tod in anderer Gestalt (Mensch, Tier, Pflanze) in einem neuen Leben; Sy Metempsychose

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See|len|wan|de|rung, die (bes. ind. Religionen):
Reinkarnation.

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I
Seelenwanderung,
 
lateinisch Transmigratio, griechisch Metempsychose oder Palingenese, Religionsgeschichte: die Vorstellung, dass die Seelen eine Reihe von Wiederverkörperungen (Reinkarnationen), d. h. Kreisläufe von Geburt (Verkörperung), Tod, Wiedergeburt und viele Existenzen in Tieren, Menschen, manchmal auch Göttern durchlaufen, bis sie zu ihrem endgültigen Ziel der Befreiung gelangen; es gibt auch die Vorstellung, dass die Seelen, etwa nach dem Rechtsspruch eines Totenrichters, im Jenseits stufenweise einen Läuterungsweg durchlaufen oder in ein Seelenkollektiv eingehen, das in einem himmlischen Paradies oder Höllenreich oberhalb oder unterhalb der Erde gedacht ist, bevor sie sich später neu verkörpern. Einfachste Vorformen stellen die schon in sehr frühen Kulturstufen - in Analogie des Weges des Verstorbenen zur Grabstätte sowie der dabei vorgenommenen Riten - nachweisbaren Vorstellungen von Wanderungen und Reisen der Seelen zu ihrem endgültigen Aufenthaltsort dar, bei denen sie Gefahren, aber auch neuen Bewährungschancen für eine Läuterung ausgesetzt sind; vergleichbare Motive wirken noch in christlichen Auffassungen von einem Zwischenstadium zwischen Tod und Auferstehung (Fegefeuer) nach.
 
Der Glaube an eine Seelenwanderung findet sich ansatzweise schon im Totemismus, dessen Spuren auch in der ägyptischen Religion nachwirken, sowie in druidischen Lehren der Kelten; über die Orphik fand die Vorstellung einer Seelenwanderung Eingang in die griechische (z. B. bei Platon, Pythagoras) und hellenistische Kultur (z. B. Gnosis, Neuplatonismus). Der Hinduismus, Buddhismus und Jainismus lehren einen Kreislauf der Geburten, der ohne Anfang ist (Samsara) und für den Einzelnen erst beendet ist, wenn er Befreiung (Moksha) von allem erlangt hat, was ihn an das Vergängliche bindet (Nirvana). Nach hinduistischem Verständnis ist dieser Kreislauf ein langer Läuterungsweg, bei dem die individuelle Seele unzählige Existenzen durchläuft und der unter dem Gesetz der kausalen Vergeltung aller guten und bösen Taten (Karma) steht. Auch der Buddhismus strebt eine Überwindung des vom Karmagesetz bestimmten leidvollen Kreislaufs der Existenzen an, lehrt im Gegensatz zum Hinduismus jedoch keine Wiedergeburt der individuellen Seele, sondern das Hervorwachsen eines neuen Wesens aus dem Karma des Dahingeschiedenen. Im Jainismus ist der Weg der Erlösung, der in einer Verhinderung der Ansammlung neuen Karmas besteht, eng mit einem Mönchsleben verbunden.
 
Im 19. und 20. Jahrhundert fand der Gedanke der Seelenwanderung über die asiatischen Länder hinausgehend unter Einbeziehung indischen Überlieferungen Verbreitung durch Spiritismus, Theosophie, Anthroposophie und Esoterik. Heute finden sich ähnliche Anschauungen in Teilen der New-Age-Bewegung und bei etlichen neuen Religionen, wobei häufig auch der Anspruch erhoben wird, das Phänomen wissenschaftlich beweisen zu können: durch Wiedererinnerung an frühere Existenzen (Déjà-vu-Erlebnisse) und angeblichen »Rückführungen« mithilfe von Techniken wie z. B. der Hypnose.
 
 
A. Bertholet: S. (Basel 1904);
 É. de Henseler: L'âme et le dogme de la transmigration dans les livres sacrés de l'Inde ancienne (Diss. Freiburg 1928);
 W. Stettner: Die S. bei Griechen u. Römern (1934);
 G. Macalusa: La reincarnazione verità antica e moderna (Rom 1968);
 G. Adler: S. u. Wiedergeburt (Neuausg. 21986);
 O. Cullmann: Unsterblichkeit der Seele oder Auferstehung der Toten (a. d. Frz., Neuausg. 21988);
 R. Hummel: Reinkarnation (21989);
 F. Jehle: Wie viele Male leben wir? S. oder Auferstehung (Zürich 1996).
II
Seelenwanderung,
 
die Vorstellung, dass die Seelen eine Reihe von Wiederverkörperungen (Reinkarnationen), das heißt Kreisläufe von Geburt, Tod, Wiedergeburt und viele Existenzen in Tieren, Menschen, manchmal auch Göttern durchlaufen, bis sie zu ihrem endgültigen Ziel der Befreiung gelangen. Es gibt auch die Vorstellung, dass die Seelen, etwa nach dem Rechtsspruch eines Totenrichters, im Jenseits stufenweise einen Läuterungsweg durchlaufen oder in ein Seelenkollektiv eingehen, das in einem himmlischen Paradies oder Höllenreich, oberhalb oder unterhalb der Erde, gedacht ist, bevor sie sich später neu verkörpern. Einfachste Vorformen stellen die schon in sehr frühen Kulturstufen - in Analogie des Weges des Verstorbenen zur Grabstätte sowie der dabei vorgenommenen Riten - nachweisbaren Vorstellungen von Wanderungen und Reisen der Seelen zu ihrem endgültigen Aufenthaltsort dar, bei denen sie Gefahren, aber auch neuen Bewährungschancen für eine Läuterung ausgesetzt sind; vergleichbare Motive wirken noch in christlichen Auffassungen von einem Zwischenstadium zwischen Tod und Auferstehung (Fegefeuer) nach.
 
Der Glaube an eine Seelenwanderung findet sich ansatzweise schon im Totemismus, dessen Spuren auch in der ägyptischen Religion nachwirken, sowie in druidischen Lehren der keltischen Religion. Über die Orphik (eine religiös-philosophische Geheimlehre der Antike) fand die Vorstellung einer Seelenwanderung Eingang in die griechische und hellenistische Kultur. Im Hinduismus ist der Kreislauf der Geburten (Samsara) ein langer Läuterungsweg, bei dem die individuelle Seele unzählige Existenzen durchläuft und der unter der Ordnung des Karma-Gesetzes, der Vergeltungskausalität guter und böser Taten, steht; der Befreiung (Eingehen ins Nirvana) sollen verschiedene Heilswege dienen. Auch der Buddhismus strebt eine Überwindung des vom Karma-Gesetz bestimmten leidvollen Kreislaufs der Existenzen an, der ohne Anfang ist. Ursache des Kreislaufes sind die Leidenschaften (Begehren) und Taten der Wesen. Grundlage der Wiedergeburten ist aber nicht eine personale Identität, ein »Ich« oder eine »Seele«, sondern ein im Zusammenwirken der Daseinsfaktoren geformter Komplex psychischer und geistiger Energien, wobei nach buddhistischer Auffassung die Wiedergeburt als Höllenwesen, Tier, Gespenst, Mensch oder als Gott möglich ist. Während im Hinayana-Buddhismus das Ziel in der individuellen Vollendung und Befreiung gesehen wird, vertritt der Mahayana-Buddhismus das Bodhisattva-Ideal helfender und heilender Hinwendung des Vollendeten zu allen Wesen. Im Jainismus ist der Weg der Erlösung, der in einer Verhinderung der Ansammlung neuen Karmas besteht, eng mit einem Mönchsleben verbunden.
 
Im 19. und 20. Jahrhundert fand der Gedanke der Seelenwanderung über die asiatischen Länder hinausgehend unter Einbeziehung indischer Überlieferungen Verbreitung durch Spiritismus, Theosophie, Anthroposophie und Esoterik. Heute finden sich ähnliche Anschauungen in Teilen der New-Age-Bewegung und bei etlichen neuen Religionen, häufig mit dem Anspruch, das Phänomen wissenschaftlich beweisen zu können: durch Erinnerung an frühere Existenzen (Déjà-vu-Erlebnisse) und angebliche »Rückführungen« mithilfe von Techniken wie der Hypnose.

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See|len|wan|de|rung, die (bes. ind. Religionen): Reinkarnation.

Universal-Lexikon. 2012.

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